Trotzdem ich gestern rechtzeitig ins Bett gegangen bin, habe ich schon wieder verschlafen. Den Wecker habe ich heute nicht mal gehört. Mit fast zwei Stunden Verspätung habe ich meine Check-In-Nachricht an Claudia geschickt. Nachmittags habe ich meine Morgenseiten geschrieben, ich habe sie, weil es schon so spät war, in Tagseiten umgetauft.
Dann bin ich meine übliche Runde um den Block gegangen und habe auch wieder Instagram-Videos mit meinem Tagesplan gemacht. Auf dem Plan standen heute fünf Dinge: eine Collage für die wöchentliche Kurzgeschichte kleben, an der wöchentlichen Kurzgeschichte schreiben, zehn Minuten am zweiten Taval-Krimi schreiben, den Text für meine Schreibgruppe abtippen und bloggen.
Für die Collage habe ich mir einen Stapel Crime, Verbrechen und eine Ausgabe vom Business Punk aus meinem Zeitschriftenstapel gesucht und mit Klebestift, Schere und einem Stück Papier auf meinen Schreibtisch gelegt. Um dann meine Füße daneben auf den Schreibtisch zu legen, mich durch Instagram zu liken und auf Twitter zu lesen.
Auf you tube habe ich heute ein Video zu dem Ted Talk Inside the mind of a master procrastinator von Tim Urban gesehen. Urban sagt, wenn wir prokrastinieren, ist unser monkey mind am Steuer. Dann hatte der Affe bei mir das Steuerrad sehr oft in der Hand heute. Ich habe beim Bilder für die Collage raussuchen angefangen, einen der Artikel in einer Crime zu lesen. Das mache ich normalerweise nicht, wenn ich Bilder für Collagen raussuche. Dann bin ich auf die Geschichte und die Collage konzentriert.
Trotzdem habe ich es geschafft, genug Bilder rauszusuchen und eine Collage für meine wöchentliche Kurzgeschichte zu kleben. Die Collage gefällt mir und ich habe das Gefühl, dazu kann ich eine Geschichte schreiben. Das ist schon mal gut, denn gestern ist mir absolut nichts eingefallen, zu dem ich eine Geschichte hätte erzählen können.
Die Collage habe ich in die Mitte von meinem Schreibtisch gelegt und bin eine große Runde spazieren gegangen, nachdem ich wieder mindestens eine Stunde auf Twitter verbracht habe und es draußen dunkel geworden ist. Ich gehe eine großräumige Runde um den Schrevenpark, vorbei am bunt beleuchteten Jahrmarkt und durch die kleinen Seitenstraßen am Park. Dabei bin ich auf der Suche nach einer beleuchteten Hausnummer vier. Die brauche ich als Headerbild für die Antwort auf die vierte Frage, so wie bei der Antwort auf die dritte Frage.
Ich habe eine schöne beleuchtete vier gefunden und fotografiert. Damit mache ich mich auf den Weg nach Hause, um wieder an den Schreibtisch zu gehen und an der Kurzgeschichte zu schreiben. Mir fällt gerade auf, dass ich an der Kurzgeschichte schreiben will und nicht wie sonst neugierig bin, was ich mir für eine Kurzgeschichte erzählen werde. Ich habe gerade nicht so viel Raum in mir für Geschichten.
Eine Antwort warum das gerade so ist, finde ich beim erneuten Prokrastinieren auf Twitter. Die amerikanische Autorin Kristin Kathryn Rusch hat ihren Blogbeitrag „Business Musings: Framing The Pandemic (A Process Blog)“ verlinkt. Sie schreibt, dass sie sich einen Tag frei genommen hat, um herauszufinden, was gerade mit ihr los ist. Und sie stellt fest, dass sie sich noch nicht darauf eingestellt hat, dass die Welt sich mit Corona verändert hat und dass diese Veränderung bleiben wird. Dass sie immer noch gehofft hat, dass das vorbei geht.
Ich merke, dass mir die steigenden Coronazahlen Angst machen. Ich merke, dass ich im Sommer ganz gut damit zurechtgekommen bin, weil ich die Möglichkeit hatte, viel draußen zu sein und auch vor Cafés oder Restaurants draußen zu sitzen. Ich merke, dass ich Angst habe vor einem Winter nur in meiner Wohnung und mit Spaziergängen als einziger Aktivität außer Haus. Ich merke, dass ich Angst habe, wieder schwer krank zu werden.
Trotzdem setzte ich mich an meinen Schreibtisch und fange an, die Geschichte von Eva Boeker zu erzählen. Das Kurzgeschichtenstichwort diese Woche ist „fear“. Vielleicht wird Eva in der Geschichte meine Angst haben. Vielleicht werde ich von einer anderen Angst erzählen. Auf jeden Fall werde ich mich die nächsten Tage liebevoll um mich und meine Angst kümmern, damit ich wieder Raum zum Geschichten erzählen habe.