Jetzt bin ich hier, habe ich heute Morgen in mein Krimiautorinnen-Journal geschrieben, als ich in der finnischen Nationalbibliothek gesessen habe. Im November 2023 habe ich die Bibliothek zum ersten Mal besucht und mich in den Ort verliebt. Mein Wunsch und meine Sehnsucht ist, eine Woche hier zu schreiben. Heute war der erste Tag dieser Woche an diesem besonderen Bücherort.
In der Bibliothek lasse ich mir Zeit zum Ankommen. Mit dem Laptop möchte ich in einem der oberen Stockwerke sitzen und schreiben. Als Erstes setze ich mich in der Halle – ich weiß nicht, wie der Raum offiziell heißt – auf einen der Stühle und lasse den Raum auf mich wirken. Bücher, eine reiche Deckenverzierung und vergleichsweise viele Besucher*innen. Ich fühle mich wohl.
Dann trete ich durch eine Glastür ein in die Räume, die in mir die Sehnsucht nach diesem Ort geweckt haben. Ich setze mich an einen Tisch in einer Ecke, von der aus ich einen guten Überblick über das Erdgeschoss habe. In meinem Krimiautorinnen-Journal notiere ich das Datum auf Finnisch: Maanantai 23. syyskuu 2024. Dann schreibe ich auch schon los.
Ich bin dankbar, dass ich dieser Sehnsucht gefolgt bin, und beginne in meinem Journal einen Dialog mit der Bibliothek. Sie schwingt leise trotz der Besucher*innen, die sich die Bibliothek anschauen. Dieses leise Schwingen ist ein Geschenk der Bibliothek an mich. Ich sitze hier mit innerer Ruhe. Dann schaue ich hoch und mein Blick fällt auf ein Buch im Regal gegenüber: Friedrich Lenger, Der Preis der Welt. Eine Globalgeschichte des Kapitalismus.
Der Klappentext beginnt mit den Worten „bestechend luzide“. Ich lese die Einleitung, freue mich über die gendergerechte Sprache und den reflektierten Überblick, den der Autor über sein Thema gibt. Vielleicht lese ich das Buch, wenn ich wieder zu Hause bin. Jetzt will ich in das nächste Stockwerk. Doch bevor ich aufstehe, schaue ich in das Regal hinter mir und entdecke ein weiteres Buch.
In der Einleitung zu Reader’s Block. A history of reading differences von Matthew Rubery entdecke ich spannendes über das Lesen und etwas, das ich selber schon erlebt habe: Während meiner Depression konnte ich nicht mehr lesen. Ich lese, dass das ein typisches Symptom ist. Ich erinnere mich kurz an diese Zeit und dann bin ich wieder im Hier und Jetzt und genieße, dass ich ganz locker in diesem Buch lesen kann.
Auf meinem Weg in die oberen Stockwerke hält mich im Erdgeschoss noch ein weiteres Buch auf. Ich schaue durch die Regale und entdecke ein Cover mit Krimiästhetik. Ein Sachbuch über anonyme Briefe: Penning Poison. A history of anonymous letters von Emily Cockayne. Ich lese kurz in die Einleitung und in ein paar Kapitel hinein.
Dann gehe ich die schmalen weißen Steintreppen hinauf bis in den dritten Stock. Dort schaue ich nach unten ins Erdgeschoss und dann hinauf ins Glasdach. Dann setze ich mich an einen Tisch, klappe meinen Laptop auf und schreibe an meinem Krimi-Geheimprojekt weiter. Das hatte ich für heute noch gar nicht eingeplant, aber es geschieht ganz selbstverständlich.
Ich fühle mich erfüllt, notiere ich zwischendurch in meinem Krimiautorinnen-Journal.