„Was wäre wie ein Wunder für dich?“, fragt Claudia in der siebten Frage ihrer 60-Fragen-Challenge. Wunder. Wow. Was für eine Frage. „Wunder gibt es immer wieder“ klingt mir die Stimme von Katja Ebstein durch den Kopf und versetzt mich in meine 70er-Jahre-Kindheit. Darauf folgt „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“, in der Cover-Version von Nina Hagen. Ich bin wieder ein Teenager und der große Bruder meiner Freundin lässt das Lied durch das Haus seiner Eltern schallen.
Mein Gehirn hat also „Wunder gibt es immer wieder“ und „ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“ als Glaubenssätze zum Thema Wunder abgespeichert. Das finde ich sehr spannend, denn ich lebe nicht so. Also ich erwarte keine Wunder. Vielleicht könnte ich das mal mehr machen. Also auf Wunder vertrauen.
Da stellt sich mir sofort die Frage, ob Schlager gute Lebensratgeber sind. Ich bezweifle das; finde das aber gerade eine gute Idee für eine Person in einem Buch. Also jemenschen, die oder der konsequent und bedingungslos nach den Weisheiten von Schlagern lebt. Meine 70er Kindheit und das ständige berieselt werden von Schlagern würde da sicher eine große Fundgrube an Themen hergeben.
Aber zurück zum Wunder. Es ist nicht so, dass es keine Wunder in meinem Leben gibt. Ich finde es jedes Jahr ein Wunder und ganz wunderbar, dass die Blätter an den Bäumen nach einem Winter wieder nachwachsen und grün werden. Ja, ich weiß, so funktioniert die Natur und das ist kein Wunder, sondern erklärbar. Trotzdem habe ich mir das wunderbare an den grünen Blättern im Frühling bewahrt.
Klassische Musik enthält für mich Wunder. Wenn ein Orchester wunderbar zusammen spielt oder ein*e Pianist*in mich in die Musik einwickelt. Meine Gefühle beeinflusst. Mich bewegt und erfüllt zurücklässt, dann kann jemensch das bestimmt auch erklären, für mich ist es ein Wunder. Und ein Wunder soll es auch bleiben.
Geschichten enthalten für mich Wunder. Geschichten können mich aus dem Alltag herausholen und in eine ganz andere Welt entführen. In Geschichten kann ich Dinge erleben, Orte bereisen, Leben führen, die ich in der Realität nicht erleben könnte. Klar, das macht mein Gehirn und trotzdem ist es irgendwie ein Wunder.
Aber die Frage ist ja „Was wäre wie ein Wunder für dich?“. In der Frage klingt eine Zukunft an. Eine Zukunft, die erst Wirklichkeit werden kann, wenn ein Wunder geschehen würde. Da merke ich, da gibt es nichts. Ich brauche kein Wunder. Ich mag mein Leben. Ich mag meine Pläne für die Zukunft.
Natürlich könnte ich jetzt schreiben, ein Wunder wäre, wenn Corona morgen vorbei wäre. Aber das ist es nicht und ich möchte auch nicht über Nacht zur Coronaleugnerin werden, denn dann wäre Corona theoretisch ja auch vorbei. Und so funktioniert das mit den Wundern auch nicht. Würde ich sagen. Ich halte mich da an die kleinen Wunder im Alltag.
Die kleinen Wunder im Alltag hätte ich jetzt fast vergessen. Wenn die Sonne auf meine Hände scheint beim Schreiben, wenn die Herbstblätter mich anleuchten, wenn ich mich entspanne beim Blick über die Förde und wenn mir warm ums Herz wird, wenn der Liebste mich anlächelt.