„Wenn du dich selbst kritisierst, wessen Standards verwendest du?“ fragt Claudia in Frage 15 ihrer 60-Fragen-Challenge. Boah, die Frage möchte ich nicht beantworten. Ich habe gerade überhaupt keine Lust darüber nachzudenken, wer diese kritischen Stimmen in meinem Kopf sind.
Das stimmt so natürlich nicht. Ich brauche nicht lange, darüber nachzudenken. Ich weiß genau, wer diese kritischen Stimmen sind. Aber ich habe keine Lust, über sie auf meinem Blog zu schreiben. Während ich diesen Blogbeitrag schreibe, bin ich live zum CoWriting auf Instagram, wer Lust hat, kann gemeinsam mit mir schreiben.
Ich hätte bei Instagram noch reinschreiben sollen, dass wer dabei ist, einen Kommentar hinterlassen soll. Das ist ein Gedanke. Eine zusätzliche Idee. Ist das schon eine Kritik? Genüge ich irgendeinem Standard nicht? Meine innere Verteidigung ist auf jeden Fall schon mal angesprungen. Ich mache das zum ersten Mal, da kann ich noch nicht an alles denken.
In meinem Kopf ist ansonsten Stille. Entweder will ich die kritischen Stimmen nicht hören oder es gibt gerade keine. Ich bin also mit mir und meinen Standards gerade im reinen. Darüber freue ich mich. Ich schaue ab und an auf das Instagram-Video und sehe, dass mir Menschen beim Schreiben zusehen oder eben auch gerade mit mir gemeinsam schreiben. Ich bin ein bisschen aufgeregt.
Eine leise kritische Stimme rührt sich. Die können jetzt alle sehen, dass ich nicht mit zehn Fingern schreiben kann und dass ich mit der Maus rumklicke, um Tippfehler zu verbessern. Ich habe an mich selbst den Anspruch, mit zehn Fingern tippen zu können. Erstens weil man das so macht. „Weil man das so macht“ sind Standards meiner Eltern. Beim Zehn-Finger-Tippen ganz klar ein Standard meiner Mutter. Die konnte das, mein Vater konnte das nicht. Der ist aber mit seinem zwei Fingersystem ganz gut durchs Leben gekommen.
Ich würde gerne mit zehn Finger tippen können, weil ich dann schneller und mit weniger Tippfehlern schreiben könnte. Und während ich das hier tippe, merke ich, dass das für mich eher ein Nice to have wäre als eine Notwendigkeit. Sondern ein fremder Standard, dem ich genügen möchte.
Viele fremde Standards und Ansprüche habe ich in den letzten Jahren abgelegt. Spannend finde ich, dass ich auch neue, fremde Standards einsammele. Ich habe immer ein wachsames Auge darauf, was fremde Standards sind und was ich machen möchte oder eben nicht machen möchte.
Im Bereich Social Media gibt es so viele does und don’ts oder auch beim Schreiben und Veröffentlichen. Beim Schreiben gibt es das Dogma, dass der erste Textentwurf immer schlecht ist und erst durch Überarbeitung besser wird. Genauso gibt es die gegenteilige Ansicht, die besagt, der erste Entwurf ist lebendig, alle weiteren Texte sind tot lektoriert.
Da habe ich meine Position noch nicht ganz gefunden. Meine Blogtexte sind unlektoriert. Meistens lasse ich sie nicht mal eine kurze Weile liegen, um Abstand zu dem Text zu bekommen, sondern ich schreibe den Blogbeitrag, lese nochmal auf Verständlichkeit und Rechtschreibung Korrektur und dann veröffentliche ich meine Blogbeiträge. Bei meinen Geschichten traue ich mich das (noch) nicht.
Wessen Standards sind es, die mich bei den Geschichten zögern lassen, sie einfach so unlektoriert zu veröffentlichen? Ist das einfach vernünftig, weil mensch für die eigenen Texte blind ist und deshalb jemand mindestens Korrektur lesen sollte? Wie viele Menschen sollen die Geschichten lesen, bis sie wessen Standards genügen, um veröffentlicht zu werden? Eine Frage, die mich noch eine Weile beschäftigen wird.