Der Hund von den Peanuts ist Schriftsteller und beginnt jeden seiner Texte mit dem Satz „Es war eine dunkle stürmische Nacht …“, erzählt Ulrike auf ihrem Blog Wörterwelten schreiben. Sie veranstaltet die Blogparade „It was a dark and stormy night … – Schreiben mit Snoopy“. Ich hatte große Lust mitzumachen. Dann ist mir nichts eingefallen. „Was dir fällt nichts ein? Du kommst doch von der Küste,“ empört sich mein Unterbewusstsein. Und sofort ist sie da, die Erinnerung an eine besondere, stürmische Nacht.
Es war eine dunkle stürmische Nacht und es ist eine meiner ersten Kindheitserinnerungen. Ich war vier oder fünf Jahre alt und sitze mit meiner Mutter in der warmen Küche in unserem Haus. Auf dem Klapptisch unter dem Küchenfenster brennt eine Kerze. Der Strom ist schon seit Stunden ausgefallen. Auf dem Kohlebeistellherd brät meine Mutter Leber mit vielen Zwiebeln und Apfelscheiben.
Wahrscheinlich war es zuerst ein dunkler stürmischer Abend. Mein Vater war schon seit Stunden mit der Feuerwehr am Deich. Sandsäcke füllen und mit Sandsäcken den Deich am Hafen erhöhen. Der Weststurm hatte verhindert, dass das Wasser der Nordsee bei Ebbe ablaufen konnte. Dann drückte die nächste Flut und das Hochwasser wurde höher erwartet als der Deich.
Von all dem weiß ich nichts in der gemütlich warmen Küche. Ich erinnere mich nicht an Angst. Auch wenn ich dies hier schreibe fühle ich keine Angst. Ich fühle die Geborgenheit einer warmen Küche, mit Kerzenschein, meiner Mutter und gebratener Leber mit vielen Zwiebeln und Apfelscheiben. Ob es dazu Kartoffelmus gab, wie sonst zu dem Essen üblich, weiß ich nicht. Ich erinnere keinen Kartoffelmus.
Kartoffelmus heißt das bei uns in der Familie. Kartoffelmus heißt das in Norddeutschland. Nicht Püree. Meine Mutter und ich essen Leber ohne Kartoffelmuserinnerung. Wir sitzen am Küchentisch unterm Fenster. Ich weiß nicht, ob die blau gemusterten Vorhänge zugezogen waren oder ob wir durch das große Küchenfenster nach draußen in den Sturm geschaut haben.
Ich weiß nur noch, dass es schummrig war und ich neben dem warmen Kohlebeistellherd sitzen durfte. Den hatten wir, obwohl wir einen Elektroherd besaßen. Aber meine Eltern waren beide während des zweiten Weltkriegs aufgewachsen und ihre Eltern haben ihnen bei der Einrichtung des Hauses bestimmt gesagt, wie wichtig so ein Kohlebeistellherd ist.
In keiner meiner Wohnungen gab es so einen Herd und manchmal frage ich mich, ob das fahrlässig ist. Heute frage ich mich, ob ich mich das wegen der Erinnerung dieser einen Nacht frage. Es war das einzige Mal, dass wir den Kohlebeistellherd benutzen mussten. Und es war nicht die einzige dunkle stürmische Nacht, die wir erlebt haben.
Aber es war die schwerste Sturmflut, die ich bisher erlebt habe. Am nächsten Tag, mein Vater war, während ich schlief, nach Hause gekommen, haben wir Oma abgeholt und sind mit dem Auto zum Deich gefahren. Mein Vater hat uns die Stelle gezeigt, wo der Deich gebrochen war. Die Naturgewalt der Nordsee hatte in der dunkeln stürmischen Nacht gesiegt.
Den Feuerwehrleuten ist nichts passiert. Ich weiß nicht, ob den Bewohnern der Bauernhöfe hinter dem Deich etwas passiert ist oder ob Vieh ertrunken ist. Ich weiß nur, dass das Loch im grünen Deich mächtig war. Eher wie ein Trichter als ein Loch. Das Innere des Deiches bestand aus Kies, das erinnerte mich an meine Sandkiste.
Für mich bleibt aus der ersten Erinnerung an eine dunkle stürmische Nacht ein warmes, geborgenes Gefühl mit dem Geschmack von gebratener Leber, Zwiebeln und Apfelscheiben.