„Hier kannst du arbeiten?“, werde ich oft erstaunt gefragt, wenn ich im lauten Café sitze und schreibe. „Sehr gut sogar!“, antworte ich. Die regelmäßigen Cafébesuche in meinem Kieler Lieblingscafé sind für mich ein zentraler Bestandteil meines Schreibprozesses geworden auf die ich voll und ganz vertraue – trust the process. Doch welchen Einfluss haben diese Routine und die vertraute Umgebung des Cafés genau auf mein Schreiben?
Die Magie der Routine
Routine schafft Sicherheit
Das Café ist für mich ein fester Bestandteil in meinem Leben geworden. Jeden Morgen gehe ich rüber (es ist auf der gegenüberliegenden Straßenseite von meinem Zuhause) und setze mich auf einen meiner zwei Stammplätze. Einen zum Schnacken und einen zum Schreiben.
Wenn ich mit meinem Americano nach hinten in den Gastraum verschwinde, mich an den langen Tisch setzte, mein Notizbuch und meinen Füller, mein Laptop und meine Arbeitsbrille auspacke, weiß mein Gehirn: Es ist Zeit zum Schreiben. Diese gewohnten Handlungen an dem vertrauen Ort verschaffen mir ein Gefühl von Sicherheit und Struktur und helfen mir, mich ins Schreiben zu vertiefen.
Kreative Rituale
Nachdem ich meine Schreibutensilien ausgebreitet habe, trinke ich einen Schluck von meinem Americano, manchmal genieße ich zuerst ausgiebig den Kaffeeduft.
Dann schreibe ich mich im Krimi-Journal warm.Ich sortiere meine Gedanken und Gefühle. Und freue mich über die Worte, Sätze und Ideen, die ich mit der türkisen Tinte auf dem cremeweißen Papier festhalte. Manchmal finde ich die Sätze auch banal.
Danach träume ich ein bisschen aus dem Café-Fenster.
Dann klappe ich den Laptop auf, tauche in den Schreibflow, schreibe an meinem Krimi weiter und bin kriminell produktiv.
Die Kraft der Umgebung
Angenehme Atmosphäre
Der Holzfußboden, die Holztische und die Holzstühle im Gastraum des Cafés strahlen eine angenehme Wärme aus. Ich kenne die Geräusche der Stühle auf dem Holzboden, der Espressomaschine oder Klänge aus der Küche.
Die Stimmen der anderen Gäste im Gastraum weben mich in ihren Klangteppich ein und umhüllen mich wohlig. Ich fühle mich geborgen. Diese Umgebung wirkt auf mich beruhigend und lässt mich sicher im Schreibflow abtauchen.
Verbindung zu anderen Menschen
Im Laufe der Zeit habe ich die anderen Stammgäste und die Baristas kennengelernt und eine Beziehung zu ihnen allen aufgebaut. Wenn ich hinten sitze, grüßen die anderen, schnacken kurz und lassen mich weiter arbeiten.
Diese kurzen Begegnungen geben mir ein Gefühl der Zugehörigkeit und ich fühle mich nicht allein. Außerdem fühle ich mich wertgeschätzt und unterstützt, weil die anderen meinen kreativen Prozess verstehen und meine Arbeit respektieren.
Inspiration durch die anderen Cafégäste
Manchmal tauche ich aus meinem Schreibflow auf, weil ich an einer Stelle nicht weiter komme. Dann schnappe ich Gesprächsfetzen auf, die mich entweder direkt zum Weiterschreiben anregen.
Oder mein Gehirn spinnt diese Gesprächsfetzen weiter, bis ich an eine Stelle komme, die ich in meinem Krimi verwenden kann und weiter schreibe. Oder ich sehe Personen, die ich in meinen Krimi hinein schreibe.
Meistens ist es ein Detail, dass mir auffällt und dann in meinem Text landet. Wie das fruchtige Parfum, das neulich den Gastraum gefüllt hat.
Trust the Process
Vertrauen in den kreativen Prozess zu haben, bedeutet für mich also, mich auf Routinen und eine vertraute Umgebung zu verlassen. An Werktagen packe ich morgens mittlerweile automatisch meine Arbeitstasche und gehe rüber ins Café zum Schreiben. Das ist zur Zeit eines der größten Geschenke in meinem Krimiautorinnenleben.