Krimis finde ich toll. Na klar, ich bin ja auch Krimiautorin. Ich mag Kriminalgeschichten. Nicht den blutigen Splatter oder den harten Psychothriller, sondern den Ermittlerkrimi, die Krimikurzgeschichte oder den Rätselkrimi.
Als Kind habe ich die ???-Kassetten geliebt. Meine Erste war „Die drei ??? und der Zauberspiegel“. Da wollte ich dann gleich Detektivin sein. Meine beste Freundin und ich hatten Detektivspielkästen mit Detektivausrüstung: Fingerabdruckpulver, Lupe, Phantombildfolien und Detektivausweis. Wir haben keinen einzigen Fall aufgeklärt, denn wir hatten keine Fälle. Natürlich haben wir uns Fälle ausgedacht. In den Mülltonnen des Nachbarhauses haben wir nach Druckplatten, Farbresten und Fehldrucken von Geldscheinen gesucht. Wir haben aber keine gefunden und konnten also auch nicht beweisen, dass Geldfälscher im Nachbarhaus wohnten. Einen Nachbarn haben wir beschattet. Er hätte ein Entführer sein können. War er nicht. Und unsere Beschattungsversuche sind auch aufgeflogen.
Als wir in der Nähe eines echten Mordtatorts rumgelungert und uns für das Verbrechen interessiert haben, haben wir von meiner Mutter einen gehörigen Anschiss bekommen. Inklusive ausdrücklichem Verbot unter Androhung von Strafe, uns nicht mehr auch nur in die Nähe des Tatorts zu wagen. Uns hat besonders beeindruckt, dass meine Mutter von unseren Ermittlungen wusste. Wir hatten ihr nämlich wohl weißlich nichts davon erzählt. Zu der Zeit haben wir noch nicht überblickt, wie schnell Tratsch die Runde in einer Kleinstadt macht. Wir haben uns jedenfalls nicht mal mehr getraut, uns überhaupt für den Fall zu interessieren. Stattdessen haben wir uns mit unseren Detektivtaschenbüchern vergnügt. Von denen ich nur noch weiß, dass das Cover türkis war und die gezeichneten Bilder in dem Buch Detektive mit Schlapphut, Trenchcoat und haarigen Beinen gezeigt haben.
Auf meinem Weihnachtswunschzettel stand damals regelmäßig der Wunsch, zusammen mit meinem Vater das örtliche Polizeirevier zu besuchen. Regelmäßig wurde über diesen Wunsch geschwiegen. Er ging erst in Erfüllung, als ich schon lange erwachsen war. Dafür aber mit dem Besuch eines besonderen Polizei-Reviers. Zusammen mit den mörderischen Schwestern habe ich die Davidwache auf der Hamburger Reeperbahn besucht.
Die Revierleiterin, erste weibliche Chefin der Davidwache, hat uns begrüßt und ein erfahrener Polizeihauptkommissar (drei silberne Sterne auf der Schulter) hat uns durch das Revier geführt und dann stundenlang in einem Konferenzraum von seiner Arbeit erzählt und unsere Fragen beantwortet. 138 Kolleg*innen arbeiten auf dem Revier. 30 % davon Frauen. Tagsüber ist es eher ruhig auf dem Kiez-Revier, in der Freitagnacht werden 20.000 – 30.000 Menschen auf St. Pauli unterwegs sein und von Stunde zu Stunde bekiffter und betrunkener werden. Seit es das Flaschenverbot gibt, muss vor dem Einsatz nicht mehr um die Dienstwagen gefegt werden. Ich habe zehn Seiten Notizen bei dem Besuch aufgeschrieben.
In Kiel war ich bisher zweimal in der Blume, wie das Kriminalkommissariat hier genannt wird, weil es in der Blumenstraße steht. Einmal zu einem offiziellen Termin mit dem Pressesprecher nach der Sanierung des 1900 erbauten Gebäudes. Mit einer Besuchergruppe bin ich einen alten beeindruckenden Flur im Erdgeschoss entlang gegangen, habe hundert Jahre alte Polizeiuniformen und Helme gesehen und gelernt, dass die Fratzen um den alten Eingang herum der Verbrechensabwehr und dem Schutz vor bösen Geistern dienen sollten.
Bei meinem zweiten Besuch in der Blume habe ich einen Kriminalhauptkommissar bei der Arbeit besucht. Den Kriminalkommissar hatte ich beim Tango Argentino Tanzen kennengelernt und er hat gesagt, wenn ich Fragen für meinen Krimi habe, könne ich ihn auf der Arbeit besuchen. Der Pförtner hat mich angemeldet und der Kriminalhauptkommissar hat mich im Foyer des wilhelminischen Gebäudes abgeholt. Dann sind wir viele Treppen bis ins Dachgeschoss zu seinem Büro gegangen. Dort habe ich die schwarze schusssichere Weste an der Garderobe hängen sehen, die auch in meinem Krimi „Taval und die nackte Katze“ an einem Garderobenständer hängt.
Geschrieben hat in meiner Familie bisher niemand. Aber es gibt eine Handwerker Tradition in der Familie: Die Frauen meiner Familie waren Schneiderinnen oder Schneidermeisterinnen, viele Männer waren Tischler oder andere Handwerker. Und Handwerker sind ja immer auch ein bisschen Künstler und Krimi schreiben ist auch ein Handwerk. Aber es gibt eine Nähe zu Polizei und Verbrechen in meiner Familie.
Meine Großväter waren beide eine Zeit lang Polizisten. Einer in Hamburg und einer in Dithmarschen. Einer meiner Urgroßonkel war des Mordes tatverdächtig und ist vermutlich selber ermordet worden. Das habe ich überraschenderweise bei der Ahnenforschung zu meiner Familie im Meldorfer Stadtarchiv und im Kirchenbucharchiv herausgefunden. Darüber schreibe ich ganz sicher noch einen Blogtext.
Mein Vater war kriminell, auch wenn Wirtschaftskriminalität für viele nicht zählt, wenn ich davon erzähle. Aber er ist vor einem Gericht rechtskräftig verurteilt worden. Ob nur zu einer Geldstrafe, wie er behauptet oder auf Bewährung, weiß ich nicht, denn ich habe das Urteil nicht gesehen und mein Vater hat stets nur das allernötigste zugegeben.
Und da sind wir wieder beim Rätsel. Familiengeheimnisse gibt es in meiner Familie einige. Beschwiegen wird viel. Aufgeschrieben wurde nichts. Also erschaffe ich eigene Rätsel und Kriminalgeschichten.