Im Januar 2019 war ich mit fünf tollen Autorinnen im Alfred-Döblin-Haus auf Schreibklausur in Wewelsfleth. Das hatte Spätfolgen: Ich habe einen Stapel Krimis dieser Autorinnen gelesen. Die Bücher stelle ich in der Reihenfolge vor, in der ich die Autorinnen am langen Küchentisch im Alfred-Döblin-Haus kennengelernt habe. Plus zwei Krimis unserer zwei wunderbaren Abendessensgäste.
Marlies Färber – „Null-Null-Siebzig, Operation Eaglehurst“
„Null-Null-Siebzig, Operation Eaglehurst“ ist der erste Band in der Krimireihe mit dem Ex-Agenten James und seiner ehemaligen Sekretärin Sheila von Marlies Ferber. James, Geheimagent in Rente, ermittelt im Eaglehurst einem Seniorenheim in Hastings in Südengland: ein guter Freund und Kollege ist dort plötzlich gestorben. James zieht in dessen Zimmer und der nächste Mord geschieht. Sheila kommt nach Hastings und mit viel Witz und Humor gehen die zwei auf Mörderjagd. Dabei unterstützt der Spezial-Rollator, denn was wäre ein Doppel-Null-Agent ohne ein präpariertes Fahrzeug. Ich habe beim Lesen viel gelacht. Null-Null-Siebzig ermittelt noch in drei weiteren Fällen.
Annette Petersen – „Luft und Lüge“
Annette Petersen nimmt mich im Prolog von „Luft und Lüge“ erstmal mit auf eine unfreiwillige Ballonfahrt über Hannover. Dann nimmt mich Karola Kerping mit in ihr Leben, das sie, frisch geschieden, neu zu ordnen versucht. Ihr Ex-Mann ist Politiker mit neuer Familie, ihre Tochter will nichts von ihr wissen, dafür wollen zwei Männer in ihrem Leben, ihr Jugendfreund Roland und der Ballonfahrer Christian, viel von ihr wissen. Der erste Mord geschieht und Karola gerät in ein fein gesponnenes Netz aus Gefahr und Verdächtigungen. Kein Ermittlerkrimi, eher ein Thriller. Sehr spannend.
Regine Kölpin – „Die Lebenspflückerin“
Regine Kölpin hat bisher 27 Bücher veröffentlicht, etwa die Hälfte davon Krimis. Das macht die Buch-Auswahl für mich etwas leichter. Weil wir uns in einem alten Haus kennengelernt haben, lese ich „Die Lebenspflückerin“ den ersten Band der historischen Krimitrilogie um die Hebamme Hiske Aalken. Hiske ist im Jahr 1545 als Hexe angeklagt und flieht von Jever in die Herrlichkeit Gödens einem Ort an dem viele Glaubensflüchtlinge Zuflucht finden. Während ihrer Ankunft wird ein wichtiger Mann des Ortes ermordet, als in ihrem Kräutergarten eine weitere Leiche gefunden wird, macht das Gerücht der Hexerei wieder die Runde. Aber Hiske hat einen aus Amsterdam kommenden Arzt auf ihrer Seite. Ein Krimi um Macht und Anspruch auf Führung; unterhaltsam und historisch fundiert habe ich viel über konfessionelle Gewalt im 16. Jahrhundert in Ostfriesland erfahren.
Kirsten Püttjer – „Das letzte Hemd“
Von dem schreibenden Ehepaar Kirsten Püttjer und Volker Bleeck, der war in Wewelsfleth nicht dabei, wollte ich einen norddeutschen Krimi lesen, aber der war im PC meines Lieblingsbuchhändlers als nicht lieferbar deklariert. Dann nehme ich einfach das, habe ich auf „Das letzte Hemd“ gezeigt. So bin ich zu einem Niederrhein-Krimi gekommen und habe mich gut amüsiert. Mit Witz und zahlreichen Anspielungen ermitteln der pensionierte Richter Max Rosenmair, Privatdetektiv Larry und Kriminalkommissar Becker. Richter Rosenmair will eigentlich gar nicht ermitteln, er will nur, dass ihm seine Putzfrau wieder seine Hemden bügelt. Aber dafür muss erstmal geklärt werden, wer den Hoffnungsträger einer Partei lebensgefährlich verletzt hat, Nacht für Nacht Autos anzündet und wer für die Explosion in der Lagerhalle verantwortlich ist, in der der Ehemann von Rosenmairs Putzfrau schwer verletzt wurde.
Cornelia Schmitz – „Betreutes Sterben“
In „Betreutes Sterben“ von Cornelia Schmitz wird der Journalist Martin in die Psychiatrie eingewiesen. Dort ermittelt er gemeinsam mit der exzentrischen, lebhaften, überschäumenden Eli Sudfeldt, ebenfalls Patientin, in mehreren Todesfällen auf der geschlossenen Station. Eli würde es betonen, dass sie ermittelt. Dazu nimmt sie mich mit in ihren Alltag auf eine geschlossene Station. Während des Lesens habe ich ab und an innegehalten, um über fehlendes Selbstbestimmungsrecht und Zwangsmaßnahmen gegen Psychiatriepatienten nachzudenken oder nachzufühlen. Dann musste ich aber weiter lesen, denn ich wollte unbedingt wissen, wie das Buch endet. Eli Sudfeldt ermittelt noch in einem zweiten Fall.
Anja Marschall – „Verrat am Kaiser-Wilhelm-Kanal“

Buchbeginn: „Es war ein baumlanger Kerl aus dem Mecklenburgischen, der an diesem frühen Morgen an Deck des Frachtewers »Berta« stand und seinen Priem in die Wange steckte.“
1896: Kiel steht in „Verrat am Kaiser-Wilhelm-Kanal“ von Anja Marschall im Zentrum der Weltpolitik. Ein totes Dienstmädchen treibt im Kaiser-Wilhelm-Kanal und Kommissar Hauke Sötje gerät zwischen die Fronten der Geheimdienste. Ein Treffen von russischen und kaiserlichen Gesandten im Kieler Schloss gerät zu einer Machtdemonstration und Hauke soll dort einen Verräter beschützen. Einen Verräter, der ihm endlich sagen kann, warum sein Schiff, Hauke Sötje war Kapitän bevor er Kommissar wurde, gesunken ist. Einen Verräter, der Schuld ist am Tod von Haukes Mannschaft. Mit Spannung und Vergnügen bin ich Kommissar Hauke Sötje, seiner Verlobten Sophie Struwe und Levi Bloch, dem Schreiber des Kieler Kommissariats, durchs historische Kiel gefolgt. Kommissar Sötje bewohnt ein Zimmer in einem Haus im Jungfernstieg. Das ist eine Parallelstraße der Straße, in der ich wohne. Das Haus, in dem ich wohne, wurde 1890 gebaut. Zu der Zeit des Krimis also ein Neubau. Ich stelle mir vor, Hauke Sötje hat in einem ganz ähnlichen Haus gewohnt wie ich.
Heike Denzau – „Die Tote am Deich“
In dem ersten von sechs Fällen ermittelt Oberkommissarin Lyn Harms in „Die Tote am Deich“ von Heike Denzau mit ihren Kollegen der Kripo Itzehoe im Mordfall eines vierzehnjährigen Mädchens. Dieses Mädchen ist als Zweijährige beim Rosenmontagsumzug in Marne entführt worden. Die Kripo ermittelt auf Marschhöfen, in einem Schlachthof und auf einem Spielplatz. Währenddessen lerne ich das Leben von Anna, einem weiteren entführten Mädchen, in ihrem Gefängnis kennen. Zweimal habe ich geweint während des Lesens, mehrmals hatte ich Gänsehaut. Nicht nur wegen der beklemmenden Szenen mit Anna, sondern auch wegen der Darstellung der Marschbewohner. Ich komme ursprünglich ja auch aus der Marsch. Erholung von den beklemmenden Szenen bietet Lyns Privatleben. Lyn wohnt mit ihren zwei Töchtern in Wewelsfleth neben dem Friedhof und besucht in dem Krimi eine Lesung in der Küche des Alfred-Döblin-Hauses.
Dort am langen Küchentisch habe ich mit allen sieben Autorinnen gesessen und geklönt. Mit den sieben Krimis habe ich mir dieses Gefühl ein Stück weit nach Hause geholt, denn ich habe in jedem Buch die Stimme der Autorinnen erkannt und gehört.
8 Antworter auf Sieben Autorinnen und sieben Krimis oder Spätfolgen einer Schreibklausur