Mit einer lieben Freundin und dem dicken Buch „Open Air Galerie Kiel“ bin ich heute durch Kiel spaziert, habe Kunstwerke im öffentlichen Raum angeschaut und meine Freundin hat aus dem Buch Infos zu den Kunstwerken vorgelesen. Wir sind nicht wirklich weit gegangen, denn wir haben uns in einer Gegend mit einer hohen Kunstwerkdichte herumgetrieben: auf dem Gelände der Uniklinik und um die Kunsthalle herum.
Auf dem Weg dorthin sind wir an einem geschichtsträchtigen Ort vorbeigekommen: An der Straßenecke Langer Segen/ Feldstraße hängt ein Gedenkrelief zur Novemberrevolution 1918. Dort sind 1918 sieben Menschen erschossen und 29 verletzt worden.
Meine Freundin erzählt, dass die Schüsse der Novemberrevolution eine der ersten Kindheitserinnerungen ihrer Großmutter waren. Das macht dieses historische Ereignis für mich persönlicher und greifbarer. Ich habe noch nicht wirklich verinnerlicht, dass Kiel, von mir gerne als Provinzhauptstadt bezeichnet, ein so bedeutender Ort der Demokratiegeschichte unseres Landes ist.
Wir gehen weiter und kommen am Hochhaus des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur vorbei. Wir steigen eine steile Steintreppe hinauf und setzen uns auf das blaue Metallgeländer am Parkplatz des Hochhauses und schauen uns zunächst aus der Ferne die runden, bunten Wandfriese auf dem grauen Beton an einem Vorbau des Hochhauses an. Zwischendurch schaue in den blauen Himmel mit den weißen Wattewolken. Diesen Himmel liebe ich sehr.
Meine Freundin macht, natürlich total ungestellte (und einige sind wirklich spontan und ungestellt), Fotos von mir, damit ich die in meinem Blog und bei Instagram posten kann. Das ist toll und freut mich sehr. Ganz lieben Dank dafür!
Wir schweifen ab und sprechen über Kunstfälscher, Kunstdiebe und die Thomas Crown Affäre, bevor wir uns wieder dem Kunstwerk vor uns mit dem Text aus dem Buch zuwenden. Die Farben der runden Holzfriese greifen die Farbe des Gebäudes und der Umgebung auf und ansonsten sind DNA und Chromosomen drauf zu sehen, lesen wir.
Als wir dann auch wirklich näher herangehen, können wir Chromosomen und die Buchstabenfolgen mit G, T, A und C sehen. Und das mit den Farben stimmt auch.
Als nächstes suchen wir auf dem Gelände der Uniklinik die beiden Bronzefiguren, die „Das Gespräch“ heißen. Mit dem aufgeschlagenen Buch in der Hand schaue ich mich suchend um. Eine junge Frau fragt, ob sie uns helfen kann. Sie sagt, sie hätte die Installation schon mal gesehen, wisse aber nicht genau, wo sie zu finden sei. Ich bedanke mich und wir suchen weiter.
Auf dem Klinikgelände wird viel gebaut. Anhand des Gebäudes hinter der Installation auf dem Foto in dem Kunstbuch finden wir den Platz, der heute von einem Bauzaun umsäumt und mit Baumaterial und Baumaschinen vollgestellt ist. Die Installation ist nicht mehr da. Ich hatte nicht darüber nachgedacht, dass Kunst im öffentlichen Raum nicht mehr dort stehen muss, wo sie bei erscheinen des Buches vor zehn Jahren gestanden hat.
Wir haben die Installation nicht gefunden, ich werde der PR-Abteilung der Klinik eine Mail schreiben und nachfragen, wo die beiden Sprechenden geblieben sind. Mein Geschichtengehirn formt die erste Idee einer Geschichte mit einer bei Bauarbeiten abhandengekommenen Skulptur … .
Die Alraune aus Bronze ist gut versteckt hinter Büschen und neben knorrigen Bäumen, aber wir finden sie. Bevor wir im Buch lesen, schauen wir uns die Skulptur in Ruhe an. Auf einer windgeschützten Holzbank erzählen wir uns, was wir sehen und lesen dann unsere Beobachtungen auch im Buch nach. Den Platz merke ich mir, um an einem anderen Tag mit meinem Notizbuch wieder zu kommen.
Zwei gut gekleidete Männer mit Aktentaschen verlassen ein Gebäude in der Nähe der Alraune. Sie lächeln und grüßen freundlich. Mein Geschichtengehirn vermutet trotzdem sofort, dass sie etwas mit dem Verschwinden der Installation „Das Gespräch“ zu tun haben und zur Zeit die Entführung der „Alraune“ planen.
Wir gehen weiter durch den Schloßgarten mit den rot, gelb, lila, blau blühenden Beeten des Schloßgartens zum Skulpturengarten der Kunsthalle. Meine Freundin liest die Texte über die zahlreichen Kunstwerke vor. Ich merke, dass mein Gehirn langsam voll ist. Das Buch erzählt, dass die Plastik „Tetraeder-Subtraktion mit Ring“ interessante Schatten wirft. Dafür scheint die Sonne heute nicht genug, aber durch die Plastik hindurchgehen und den Stahl aus der Nähe zu betrachten, macht trotzdem Spaß und füllt, wie der komplette Kunstspaziergang, meinen Kreativbrunnen.