„Es ist immer ein Abenteuer, einen neuen Raum zu betreten“, schreibt Virgina Woolf in ihrem Essay „Stadtbummel: Ein Londoner Abenteuer.“ Ich habe heute Abend einen neuen Raum betreten, ich habe an einer online Schreibnacht am Wiener Writers’s Studio teilgenommen. Virgina Woolf war das Thema.
Im ersten Freewriting dieser Schreibnacht habe ich mich erinnert, dass ich eine Geschichte mit Virginia Woolf habe. Woolf und einige ihrer Texte waren ein Thema in meiner Anglistik-Zwischenprüfung vor 24 Jahren. Ich erinnere mich wieder gut daran, dass ich begeistert einige ihrer Bücher gelesen habe (Mrs. Dalloway, The Waves) und kein Wort verstanden habe. Also nicht weil sie auf Englisch waren. Das habe ich schon verstanden. Aber den Inhalt habe ich nicht wirklich verstanden. Was war jetzt so spannend daran, Mrs. Dalloway durch London zu folgen, während sie für ihre Party einkauft?
Meine Prüfung habe ich trotzdem bestanden. Ich habe eine Menge Sekundär-Literatur gelesen und konnte alle Fragen meiner Prüfer beantworten. Heute Abend im ersten Freewriting zu Virgnia Woolf war das Gefühl von damals wieder da. Das Gefühl etwas Besonderes zu lesen, es aber trotzdem nicht erfassen zu können. Obwohl ich an der Uni war, niemanden zu finden, mit dem ich über meine Begeisterung sprechen konnte. Mit dem ich hätte erforschen können, was die Texte mit mir zu tun haben könnten. Wenn ich denn auf den Gedanken gekommen wäre, dass diese Texte auch etwas mit mir zu tun haben.
Virginia Woolf hat sehr viele Briefe geschrieben. Also schreiben wir in dieser Schreibnacht auch einen Brief an eine Schreibfreundin. Ich merke, wie viel Freude mir es macht, einen Brief zu schreiben. Mit dem Füller. Auf Briefpapier. Ich merke, wie viel Lust ich hätte, einen Autorinnen-Briefwechsel zu führen. Ich werde meinen Brief abschicken und sehen was passiert.
Mich begeistert an Virgina Woolf heute besonders, wie sie ihre Spaziergänge und ihre Gedanken miteinander verknüpft und in ihren Essay aufgeschrieben hat. Wir lesen Teile aus dem Essay „Stadtbummel: Ein Londoner Abenteuer“. Dann schreiben wir selber einen kurzen Essay zu einem Spaziergang. Ich schreibe natürlich über meine Schrevenparkrunde:
Auf dem Bürgersteig liegen Kastanien und Kastanienschalen. Meine erste Runde führt außen um den Schrevenpark. 5 km gehe ich täglich. Das brauche ich, habe ich festgestellt, um mich gut zu fühlen. Mich gut zu fühlen brauche ich, um schreiben zu können.
Heute habe ich keine Lust. Aber ich gehe. Irgendwie werde ich mich auf dem Weg bespaßen. Einen Podcast höre ich heute nicht. Das habe ich die letzten Male gemacht und bin dabei viel zu schnell gegangen. Außerdem sind meine Gedanken dann an den Podcast gebunden und können nicht frei umherwandern.
Auf einer kleinen roten Backsteinmauer vor einem der großen Gründerzeithäuser stehen Kinderschuhe, eine Decke und Kinder-Klamotten. Die interessieren mich nicht. Ich bleibe eher an den „zu verschenken“-Bücher-Kartons stehen. Mir fällt auf, dass ich um den Schrevenpark noch keine dieser Bücher-Kartons gesehen habe. Die stehen eher in den Straßen, die zum Park führen. Lesen die Leute, die um den Park wohnen, nicht? Oder trennen sie sich nicht von ihren Büchern?
Ich gehe gerne um den Schrevenpark, innen und außen, aber vielleicht gehe ich, angeregt durch diese Schreibnacht, mal wieder andere Wege, um im Sinne von Virginia Woolf einen neuen Raum zu betreten und ein Abenteuer zu erleben.
Auf jeden Fall hat mich die Schreibnacht inspiriert, den Essay “ A room of one’s own“ von Virgina Woolf zu lesen und Briefe an Schreibfreundinnen zu schreiben.