Am letzten Samstag bin ich zum ersten Mal nach über zwei Jahren wieder mit der Bahn gefahren. Weil ich am Tag vorher mit Claudia darüber gesprochen hatte, dass 10-Minuten schreiben immer geht, habe ich mein Notizbuch eingepackt und bin extra etwas früher los gegangen, um im Bahnhof zu sitzen und zu schreiben.
Auf der Hinfahrt hat das nicht geklappt. Der Bahnhof war brechend voll und auf dem Bahnsteig auf dem ich gewartet hatte, war kein Sitzplatz frei. Zu spät war mir eingefallen, dass ich auch auf dem Bahnsteig auf der anderen Seite der Gleise hätte warten können. Dort waren die Sitzbänke alle frei.
Dafür hatte ich auf der Rückfahrt sowohl Zeit als auch einen Sitzplatz. Also habe ich in Neumünster auf dem Bahnhof auf einer Metallbank gesessen, mein Notizbuch und meinen pinken Stift ausgepackt und los geschrieben:
Auf dem Bahnsteig in Neumünster. Der Zug kommt in 17 Minuten. Es ist ruhig auf dem Bahnsteig. Ich sitze auf einer kalten Metallbank an Gleis 3 und warte. Ich hatte einen warmen und erfüllten Tag heute.
Auf dem Gleis gegenüber (Gleis 2) sitzt eine junge Frau, hat einen Kopfhörer im Ohr und schaut auf ein Handy in ihrer rechten Hand.
Der Sekundenzeiger auf der Bahnhofsuhr gleitet von Sekunde zu Sekunde. Der rote Sekundenzeiger gleitet von Sekunde zu Sekunde. Auf der 12 bleibt er kurz stehen und wartet, bis der Minutenzeiger umgesprungen ist, dann gleitet er weiter.
Noch 12 Minuten bis mein Zug kommt. Brandgeruch steigt mir in die Nase. Der leichte Wind trägt den Geruch von irgendwoher bis zu mir. In der Ferne läuten Kirchenglocken. 18.00 Uhr.
Ein Mann sitzt am anderen Ende der Bank, auf der ich sitze. Er sitzt vorgebeugt und schaut in ein Handy, dass er mit beiden Händen festhält. Er scheint ein Video zu schauen. Ich höre verschiedene Stimmen. Die Sprache, die aus seinem Handy kommt, verstehe ich nicht. Nicht nur, weil es zu leise ist.
Die Abendsonne malt Schattenmuster auf den Bahnsteig.
Eine Frau fragt den Mann am anderen Ende der Bank, ob sie hierbleiben kann, wenn sie nach Flensburg will. „Ja“, sagt er. „Ich will auch nach Flensburg.“
Ein Mann schiebt einen Roller mit der rechten Hand den Bahnsteig entlang und schaut auf das Handy in seiner linken Hand.
Der Sekundenzeiger gleitet immer noch von Sekunde zu Sekunde. Noch 7 Minuten bis der Zug kommt.
Eine Frau in einem Pulli mit roten und schwarzen Blockstreifen wühlt mit der linken Hand in einer rosa Umhängetasche. Sie holt ein Handy heraus und hält es sich ans Ohr. In der rechten Hand hat sie eine Zigarette. Sie wippt in den Knien vor und zurück.
Irgendwo wird ein Rollkoffer über den Bahnsteig gezogen. Ich kann nicht sehen wo, aber ich kann das Rattern der Räder des Rollkoffers auf den Steinen des Bahnsteigs hören.
Das Metallgitter der silbernen Bank drückt in meine linke Pobacke. Noch 4 Minuten bis mein Zug kommt.
Von meinem Platz auf der Metallbank sehe ich direkt gegenüber grüne Laubbäume vor einem großen Kastengebäude mit einem Baugerüst davor um das ein blaues Netz gespannt ist.
„Gleis 3: Einfahrt RE 70 nach Kiel Hbf. Abfahrt 18.13 Uhr. Vorsicht bei der Einfahrt.“
Liebe Susanne,
das waren tolle Stunden letzten Samstag!
Schön, dass Du auch die Reisezeit und das Drumherum nutzen und vielleicht genießen (?) konntest. Oft ist Bahnfahren ja leider mit Stress wegen Verspätungen und verpasster Anschlüsse verbunden. In meinem Pendlerleben habe ich einige (Über-)Stunden auf unschönen Bahnhöfen verbracht.
Ich meine irgendwo gelesen zu haben, dass der Bahnhof Neumünster zu den hässlichsten Bahnhöfen Deutschlands gehört. Ich würde dem zustimmen, kenne aber eigentlich zu wenige für eine solche Aussage. Was meinst Du?
Einen schönen Abend und einen erholsamen Sonntag wünsche ich Dir.
Liebe Tanja,
ja, das war ein feiner Samstag. Das Schreiben auf dem Bahnhof habe ich genossen und auch das Zugfahren. Ich mag dieses Dahingleitet des Zuges und aus dem Fenster schauen, wenn die Landschaft vorbeifliegt.
Den Bahnhof in Neumünster finde ich sehr ungemütlich und hässlich. Bei schlechtem Wetter ist das Warten bestimmt kein Spaß. Weder drinnen in der Unterführung noch draußen auf dem Bahnsteig. Da gibt es viele schönere Bahnhöfe. In Frankreich steht auf größeren Bahnhöfen sogar ein Klavier mit der Aufforderung darauf zu spielen. Das war in jedem größeren französischen Bahnhof auf dem ich vor ein paar Jahren war so. Da füllte Klavierspiel den Bahnhof.
Ich wünsche dir auch einen schönen Sonntag.
Liebe Grüße
Susanne