Susanne Pohl
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Was meine Detektiv*innen über Sherlock Holmes denken

22. Mai 2025|By:Susanne Pohl

Ein kritischer Blick zum internationalen Sherlock Holmes Day

Heute am 22. Mai ist internationaler Sherlock Holmes Day. Ein Tag, an dem weltweit Krimiautor*innen und -leser*innen den legendären Detektiv aus der Baker Street 221B feiern. Arthur Conan Doyles Meisterdetektiv hat das Genre geprägt. Seine Deduktionsmethoden, seine Beobachtungsgabe, seine ikonischen Aussprüche sind längst Teil der Popkultur geworden.

Als Krimiautorin verehre ich Holmes natürlich auch. Seine analytische Brillanz, die Art, wie er aus kleinsten Details große Wahrheiten ableitet, die Dramaturgie seiner Enthüllungen und natürlich seine skurrile Persönlichkeit machen mir großen Spaß. Doch während ich als Autorin voller Bewunderung auf den viktorianischen Meister blicke, sehen meine eigenen Detektivfiguren das durchaus anders.

Ich habe meine Ermittler*innen Jesper Taval, Emma Paulsen und Monika Feddersen gefragt, was sie über den berühmtesten Detektiv der Literaturgeschichte denken. Ihre Antworten sind ernüchternd ehrlich. Meine norddeutschen Ermittler*innen lassen sich von Ruhm und Legenden nicht blenden. Sie urteilen aus ihrer eigenen, oft harten Berufserfahrung heraus.

Jesper Taval: „Schön wär’s, aber wo ist die Realität?“

„Sherlock Holmes … Na ja, der Mann hatte definitiv einen Riecher für Details, das gebe ich zu. Diese Detailbeobachtungen, die Schlussfolgerungen. Solide Arbeit, auch wenn er es gerne überdramatisiert hat.

Was mich stört? Dieser Typ hatte nie mit echten Polizeibehörden zu kämpfen, nie mit Papierkram, Vorgesetzten oder politischen Druck. Holmes konnte einfach drauflos ermitteln, ohne dass ihm jemand ins Handwerk pfuschte oder ihn feuerte. Und dann diese ganze Sache mit Watson, immer loyal an seiner Seite. Damals dachte ich, so was gibt’s nur in Büchern.

Aber seit ich Marianne kenne. Es macht einen Unterschied, wenn jemand da ist der einem vertraut. Besonders wenn man gerade arbeitslos ist und erfolglos eine nackte Katze hütet. Im Gegensatz zu Watson fährt sie auch noch Taxi. Praktischer geht’s nicht für einen Ermittler ohne eigenes Auto.

Eins muss ich Holmes zugestehen: Er hat verstanden, dass sie Wahrheit oft in den kleinsten Details liegt. Genau wie bei mir und Cleopatra: Manchmal führt eine verschwundene Katze direkt zu einem Mordfall. Holmes hätte das wahrscheinlich sofort durchschaut.

Holmes hatte seinen gemütlichen Kamin in der Baker Street, ich habe Mariannes Beifahrersitz und specialty Kaffee. Ehrlich gesagt nicht der schlechteste Deal. Ur diese Arroganz … ‚Elementar, my dear Watson‘ als ob Ermittlungsarbeit immer so einfach wäre. Mal sehen, wie eloquent der große Detektiv gewesen wäre, wenn er statt in der Baker Street im Kieler Nieselregen gestanden hätte.“

Taval, aus dem Krimi „Taval und die nackte Katze“ würde Holmes respektieren, aber gleichzeitig auch etwas neidisch auf dessen theatralischen Erfolge sein, während er selbst mit den Realitäten moderner Polizeiarbeit kämpfen musste und aus dem MEK geflogen ist.

Emma Paulsen: „Ein Angeber mit Glück“

„Holmes? Ein Angeber mit Glück“. So würde Emma vermutlich beginnen, während sie auf ihrer Yacht Agatha ein Feierabendbier trinkt.

„Der Typ hätte in meinem Job keine Woche überlebt. Klar, er kann aus Zigarettenasche und Schuhspuren Romane schreiben, aber wo bleibt das Bauchgefühl? Wenn mir jemand eine Geschichte erzählt, spüre ich sofort, ob da was nicht stimmt. Holmes hätte vermutlich erstmal eine halbe Stunde lang über die Perücke der Klientin deduziert, statt einfach mal zu hinterfragen, warum die Person überhaupt da ist.

Und diese Einzelgänger-Nummer? Lächerlich. Ohne Melina würde ich die Hälfte meiner Fälle nicht lösen. Ohne meine Kontakte bei der Kieler Polizei wäre ich aufgeschmissen. Holmes denkt, er ist das Genie, dabei übersieht er, dass echte Detektivarbeit Teamwork ist.

Seine Arroganz kotzt mich an. Bei der Polizei hatte ich schon genug von solchen Typen. Aber eins muss ich ihm lassen: Seien Beobachtungsgabe ist nicht schlecht. Nur nützt dir das alles nichts, wenn du keine Ahnung von Menschen hast. Verbrechen entstehen aus Gefühlen: Wut, Eifersucht, Verzweiflung. Das kann man nicht weglogiken.“

Emma Paulsen, die Detektivin aus meiner Kurzgeschichte „Alte Schuld“ würde Holmes respektieren, aber seine Arroganz und seinen Mangel an echter Menschenkenntnis scharf kritisieren.

Monika Feddersen: „Elegant, aber oberflächlich“

„Der Mann konnte kombinieren, das muss man ihm lassen. Diese Art, aus kleinen Details große Schlüsse zu ziehen. Das ist vernünftig. Aber der Typ hatte es leicht: Er musste nie mit korrupten Dorfpolizisten wie meinem Ex-Mann Henner kämpfen, die schon vorher wissen, was sie ‚ermittelt‘ haben wollen.

Holmes hätte in London seine feinen Theorien entwickelt, aber hier auf dem Dorf? Hier, wo alle sich kennen und jeder seien Geheimnisse hat? Wo die örtliche Polizei mit macht beim Vertuschen? Da hätte er sich die Zähne ausgebissen.

Und dieser Watson. Immer höflich, immer ergeben. Der hätte keine fünf Minuten bei mir auf dem Frontlader überlebt. Ich brauche keinen, der mir hinterhertrottet und bewundernde Kommentare macht. Ich brauche jemanden, der anpackt und die unbequemen Fragen stellt.

Holmes hätte wahrscheinlich elegant deduziert, wer Raphaela Kulling umgebracht hat. Aber hätte er auch verstanden, warum sie im Schoß meiner Strohfrau lag? Hätte er gespürt, was das bedeutet? Diese ganze Sache mit den alten Geschichten, den verdrängten Erinnerungen, dem Schweigen der Frauen?

Der Mann war clever, aber er hat immer nur an der Oberfläche gekratzt. Hier geht es um mehr als um einen Mord. Es geht um Jahrzehnte des Schweigens. Da hilft keine noch so elegante Deduktion, da muss man durch den Dreck graben. Buchstäblich.“

Monika Feddersen, aus der Kurzgeschichte „Der Strohfigurenmord“, würde Holmes‘ analytische Fähigkeiten respektieren, aber seine privilegierte Position und seine Distanz zu den wirklichen, schmutzigen Problemen des Lebens kritisieren.

Fazit: Genie trifft auf Realität

Was zeigt mir diese kleine Befragung meiner Detektivfiguren? Sherlock Holmes bleibt ein unerreichtes Vorbild, aber eben auch ein Produkt seiner Zeit und seiner privilegierten Position. Meine norddeutschen Ermittler*innen kämpfen mit ganz anderen Herausforderung: bürokratischen Hürden, persönlichen Rückschlägen, korrupten Strukturen und der Komplexität menschlicher Beziehungen.

Während Holmes elegant in seinem Londoner Salon deduziert, stehen meine Detektiv*innen im Kieler Nieselregen, fahren mit dem Frontlader über Dorfstraßen oder ermitteln vom schwankenden Deck einer Segelyacht aus. Sie haben keine treuen Watsons, die ihre Brillanz dokumentieren, sondern sie haben Assistentinnen, die sie herausfordern, Taxifahrerinnen, die sie erden, und eine Realität, die sich nicht immer logisch erklären lässt.

Vielleicht ist das der Unterschied zwischen dem klassischen und dem modernen Krimi: Holmes löst Rätsel, meine Detektiv*innen lösen Menschen und ihre Probleme. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung. An seinem Ehrentag heute darf Holmes ruhig der unantastbare Meister bleiben. Meine Ermittler*innen werden weiterhin ihre eigenen, bodenständigen Wege gehen.

22. Mai 2025 Susanne Pohl
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