Manchmal habe ich das große Glück, dass Freunde mich zu einem besonderen Spaziergang abholen. Diese Ausflüge sind für mich von Anfang bis Ende großer Luxus. Ich werde Zuhause abgeholt und wir fahren immer zu einem besonders schönen Ort zum Spazieren gehen. Heute waren wir im Dosenmoor unterwegs.
Ein Moorspaziergang weckt bei mir jedes Mal den Wunsch, einen Krimi zu schreiben, in dem ein Moor eine große Rolle spielt. Auch dieses Mal haben die abgestorbenen Birken mit ihrem morbiden Charme Moorkrimilust geweckt. Dann fiel in der Ferne auch noch ein Schuss. Vielleicht bin ich da ganz nah am Klischee, aber manchmal mag ich Klischees.
Und ich mag Moorspaziergänge. Heute war ein schöner norddeutscher Sommertag, die Sonne schien und aus dem Moor ist die Wärme aufgestiegen, vielleicht auch reflektiert? Ich bin Krimiautorin und keine Physikerin. Auch wenn der Ingenieur versucht hat, uns die Sache mit den rechtsdrehenden und linksdrehenden Joghurt-Kulturen mit der Drehung der Polarisationsebene zu erklären. Da war auch etwas mit Reflexion, dem Wellenmodell und einem Polarisationsfilter beim Fotografieren.
Aber zurück ins Moor. Die Luft war warm und bis auf ab und an in der Ferne rauschende Züge war es still. Einfach still. Eine Stille, der ich lauschen konnte. Einer Stille, der ich gelauscht habe. Bis im Augenwinkel auf den Holzbohlen eine Eidechse vorbeigehuscht ist und eine Libelle auf Augenhöhe vorbei flog. Auf Knien haben wir auf dem Holzsteg gesessen und versucht so dicht wie möglich an den Sonnentau heranzukommen, um die feinen, roten Härchen aus der Nähe zu betrachten.
Informationstafeln erzählen von den Pflanzen und Tieren des Dosenmoors und auch von dem besondern Fund: dem Wattenbeker Stab. Gefunden in den 1950er Jahren, datiert auf die mitteleuropäische Eisenzeit. Auf dem Stab sind 20 gehörnte Tiere, zwei Hunde und zweieinhalb Menschen eingeritzt. Die Informationstafel verrät nichts über den halben Menschen, aber mein Krimiautorinnengehirn beginnt umgehend zu arbeiten.
Um sich dann beim nächsten schönen Blick über lila Heidekraut unter blauem Himmel mit weißen Wattewolken umgehend wieder zu entspannen und eine Erinnerung an einen schrecklichen Nachkriegs-Heimatfilm auszuspucken: „Grün ist die Heide“. Das passt nicht zum lila blühenden Heidekraut, aber das ist meinem Gehirn egal. Ein paar Schritte später ist es sowieso mit den Flatterbinsen beschäftigt. Ich mag die gern ansehen und ich mag das Wort Flatterbinse.
Zwei neue Worte habe ich auch gelernt: Bulte und Schlenken. Bulte sind Erhebungen und Schlenken nasse Vertiefungen im Hochmoor. Ich finde, dass könnten auch gut die Nachnamen von zwei Ermittlern sein: KHK Bettina Bulte und KOK Sascha Schlenken.
Ab und an begegnen wir anderen Spaziergänger*innen. Die Frau, die ihrem Mops erklärt, dass wir ihm nichts tun. Der Junge, dem wir Eidechsen und Sonnentau zeigen. Der Mann und die Frau, die laut schwäbelnd an uns vorbei gehen und die Einzigen sind, die nicht grüßen. Der Mann und die Frau mit dem großen schwarzen Hund, die plötzlich hinter uns auf einer Wiese stehen.
Nachdem wir knapp drei Stunden durchs Dosenmoor gestromert sind, natürlich immer nur auf den vorgegebenen Wegen, fahren wir wieder Richtung Kiel. Ich fühle mich, als hätte ich den ganzen Nachmittag gespielt. Danke!