Meistens sieht es auf meiner Abendrunde weniger spektakulär aus als auf dem Beitragsbild. Ein Polizeiwagen stand mitten auf der Kreuzung und hat mit dem Blaulicht die Straße in surreales Licht getaucht. Was genau passiert ist, weiß ich nicht. Ich bin nicht hingegangen. Ich interessiere mich zwar für Polizeiarbeit, aber eine Schaulustige versuche ich nicht zu sein. Schaulustige ist eigentlich ein tolles Wort. Schade, dass es so eine negative Konnotation hat.
Normalerweise beende ich mit meinem Abendspaziergang meinen Arbeitstag. Ich bewege damit meinen Körper nach dem am Schreibtischsitzen nochmal. Ich ermögliche meinem Gehirn, zur Ruhe zu kommen und von den Texten los zu lassen. Ich entspanne mich und gehe sanft in den Abend. Meistens gehe ich eine Runde außen um den Schrevenpark und schaue mir die schönen Häuser und Vorgärten an.
Gestern und heute hat der Abendspaziergang eine Runde am Schreibtisch eingeleitet, weil ich es tagsüber zu heiß fand. Ich habe erst gegen späten Nachmittag angefangen, an meiner Kurzgeschichte zu schreiben. Den täglichen Blogbeitrag habe ich dann nach der Abendrunde geschrieben. Die Abendrunde führte mich auch nicht um den Schrevenpark, sondern gestern an einer Schaufensterausstellung vorbei und heute in die Innenstadt.
In der Innenstadt waren viele Menschen unterwegs. Die Außentische der Restaurants waren voll besetzt, in der Fußgängerzone waren viele Spaziergänger unterwegs und eine der Inseln im neuen Holstenfleet, oder wie immer das Gewässer heißen wird, quoll über von jungen Leuten. Die Luft war voller Stimmengewirr. Obwohl es schon nach 22.00 Uhr war. Vielleicht, weil Samstagabend war. Vielleicht, weil es ein super warmer Sommerabend war. Vielleicht ist das aber auch jeden Abend so und ich bekomme davon einfach nichts mit.
In Gedanken war ich dann irgendwann auch wieder bei meinen Texten. Genauer bei meinem zweiten Taval-Krimi. Ich habe darüber nachgedacht, dass die Figuren zum Teil noch nicht ausgereift sind und noch nicht klar ist, was die alle so möchten und nicht möchten. Dazu werde ich in den nächsten Tagen anfangen kleine Personen-Collagen zu den einzelnen Personen zu machen. Damit ich nicht vergesse, die Personen-Collagen auch wirklich zu erstellen, halte ich den Gedanken hier fest.
Mittlerweile haben mich meine Füße zum Rathausplatz getragen. Da klappt das nicht so ganz mit dem keine Schaulustige sein. Ich schaue mir die Stelle an, an der letzte Woche ein LKW-Fahrer einen Fahnenmast angefahren hat, der umgefallen ist und eine junge Frau erschlagen hat. An der Stelle stehen leuchtende rote Friedhofslichter und es sind Blumen niedergelegt. Kurz denke ich, ob der Geist der jungen Frau wohl auf dem Rathausplatz bleiben muss. Dann denke ich an ihre Familie und den LKW-Fahrer. Das Leben kann einfach so schnell vorbei sein.
Im Hiroshima-Park ist es dunkel, aber trotzdem scheinen viele Menschen im Park zu sein. Ich höre Stimmen, Lachen und ab und an blitzt ein Handy. An einer Parkecke stehen ein Mann und eine Frau und führen ein Problem orientiertes Gespräch. Da gehe ich schnell vorbei und richte meine Aufmerksamkeit auf den warmen Sommerabend. Solche Sommerabende kannte ich bisher nur aus Südfrankreich.
Ich komme an der Humboldtschule vorbei und balanciere auf der kleinen Mauer, die den Rasen der Schule zum Bürgersteig begrenzt. Das Schulgebäude aus der Kaiserzeit wird angeleuchtet und sieht mit seinen großen Fenstern für mich heute wie ein altes Herrenhaus aus. Ein Ort für einen Agatha Christie Krimi.