„Findest du es egoistisch, in Zeiten wie diesen zufrieden und glücklich zu sein?“, fragt Claudia in der zweiten Frage ihrer 60-Fragen-Challenge. Nein, denn an den Zeiten ändert sich nichts, egal, wie es mir geht. Die Zeiten sind, wie sie sind, auch wenn ich zufrieden und glücklich bin. Die Zeiten sind, wie sie sind, auch wenn ich unzufrieden und unglücklich bin.
Das ist meine vordergründige Haltung in der Frage „Findest du es egoistisch, in Zeiten wie diesen zufrieden und glücklich zu sein?“ Trotzdem habe ich mich gefragt, ob ich das darf, also zufrieden und glücklich sein, während andere Menschen im Krankenhaus vor lauter Arbeit nicht mehr wissen, wie sie es bewältigen sollen. Wenn Menschen unter der Last von Homeoffice und Homeschooling fast zusammenbrechen. Wenn Menschen ihre Arbeit nicht mehr ausüben können oder Geschäfte schließen müssen.
Meine Wahrheit ist, ich war während des Shutdowns und den Kontaktbeschränkungen zufrieden und glücklich, weil sie für mich Ruhe und Zeit zur Heilung bedeutet haben. Wenn mein schlechtes Gewissen kam, habe ich meine Krankheit in die Waagschale geworfen und das schlechte Gewissen damit besänftigt.
Meine Wahrheit ist, ich bin zufrieden und glücklich gerade. Ich schreibe so viele Geschichten wie nie, ich habe eine tolle Schreibgruppe, ich blogge täglich. Alles Dinge, die ich mir lange gewünscht habe. Jetzt habe ich sie. Ich habe einen hohen Preis dafür bezahlt, bis ich mir die Dinge nehmen und gestatten konnte. Vielleicht habe ich sie auch nicht mehr lange, falls mich Covid-19 erwischen sollte.
Meine Wahrheit ist, ich bin zufrieden und glücklich gerade, auch wenn ein Teil von mir das egoistisch findet. Nicht nur in Zeiten wie diesen, denn es sind immer Zeiten wie diese. Es gibt immer und überall irgendwelches Leid auf der Erde. Es gibt immer und überall Themen, Ereignisse oder Konflikte, die es egoistisch erscheinen lassen, zufrieden und glücklich zu sein.
Dabei kann ich doch nur positiv zu dieser Gesellschaft beitragen, wenn ich zufrieden und glücklich bin. Wenn ich zufrieden und glücklich bin, schenke ich anderen Menschen ein Lächeln, wenn ich ihnen auf der Straße begegne. Wenn ich zufrieden und glücklich bin, schreibe ich viele Geschichten. Wahre hier im Blog und erfundene in den Kurzgeschichten.
Ich glaube, dass wir in den nächsten Monaten viele Geschichten brauchen werden, um Pause von der Gegenwart machen zu können. Um Auszeiten von unserem täglichen Leben zu haben und in andere Welten abtauchen zu können. Um Kraft zu schöpfen für Zeiten wie diese. Um uns von Zeiten wie diesen, ablenken zu können. Um Zeiten wie diese durchstehen zu können.
Deswegen lautet meine entschiedene Antwort auf die Frage „Findest du es egoistisch, in Zeiten wie diesen zufrieden und glücklich zu sein?“ Nein, sondern ich halte es für notwendig auch in diesen Zeiten glücklich und zufrieden sein zu können.
Um Lichtblicke zu schaffen für die Menschen, die gerade nicht zufrieden und glücklich sein können. Um Geschichten erzählen zu können, ganz egoistisch, weil es mir Spaß macht und mich das Geschichtenerzählen zufrieden und glücklich macht. Um Geschichten erzählen zu können, weil Menschen ab und an einfach eine gute Geschichten brauchen.
…oder wie meine Freundin Martina sagt:
„Das Leben ist kein Nullsummen-Spiel.“
Dein Vorteil ist nicht automatisch mein Nachteil. Mein Glück bedeutet nicht zwangsläufig dein Unglück. Was wir an Plus haben, muß nicht anderswo auf der Minusseite erscheinen.
Oft sogar ganz im Gegenteil: Wie das Lächeln, das sich ausbreitet. (Denn mein Lächeln zieht doch nicht zwangsläufig bei irgendjemand anders die Mundwinkel nach unten – um des Ausgleichs, der „Nullsumme“ willen, oder?!)
Und wenn die Wirkung nicht so offensichtlich sofort eintritt (nicht sofort zurückgelächelt wird), dann irgendwo irgendwann später.
Das nennen wir dann eine Einzahlung in die Karma-Versicherung.
Jetzt froh sein, zufrieden, ausgeglichen, großherzig, geduldig, freundlich… und das geht in den großen Topf für gutes Karma und wird wieder ausgeschüttet, wo’s gebraucht wird.
So, gut’Nacht mal wieder
von Christine
Sehr kluge Freundin! :-)
Das Verrückte ist, dass die „Nullsummen-Betrachtung“ der Welt so oft verwendet wird und hintergründig so viele unserer Entscheidungen beeinflussen kann.
Ich finde deine Gedanken dazu toll
Liebe Susanne.
So ist es genau richtig.
Glücklichsein darf man trotzdem. Ich bin zum Beispiel glücklich,weil mein lieber Schatz seine schlimme Erkrankung gut überstanden hat und wir bisher gesund durch diese merkwürdige Zeit gekommen sind.
Und ich freue mich jeden Tag über alles schöne um mich herum